Ob bei der Einrichtung und Verwaltung von Verträgen, der Kommunikation zu den Mitarbeitern oder bei Veränderungen durch Elternzeit, Langzeiterkrankungen und Austritte: Noch ist die betriebliche Altersvorsorge (bAV) weit davon entfernt, vollständig digitalisiert zu sein. Doch Künstliche Intelligenz (KI) und digitale Tools setzen schon jetzt wichtige Impulse und zeigen, wohin die Marschrichtung in den kommenden Jahren geht. Welche Entwicklungen derzeit relevant sind, wie sie den HR-Alltag unterstützen können und welche Herausforderungen auf Unternehmen zukommen können, lesen Sie hier.
KI-Einsatz in der bAV-Verwaltung: Chancen
Mit dem Einsatz moderner KI-Technologien ergeben sich für die betriebliche Altersvorsorge neue Anwendungsfelder:
Compliance und Sicherheit: Eine Anwendung, die auf Künstlicher Intelligenz beruht, kann Unternehmen dabei helfen, Compliance-Vorschriften einzuhalten, indem sie große Datenbestände auf potenzielle Risiken hin untersucht. Gleichzeitig unterstützen intelligente Systeme die IT-Sicherheit in der bAV, indem sie Auffälligkeiten oder Sicherheitslücken erkennen und so präventiv vor Datenschutzverletzungen von hochsensiblen Datenbeständen schützen.
Pension Analytics: KI-Modelle ermöglichen zum Beispiel präzisere Vorhersagen über künftige Rentenverpflichtungen und das Verhalten der Versorgungsberechtigten, etwa Abbruchquoten oder Inanspruchnahmequoten. Unternehmensverantwortliche können damit finanziell besser planen und frühzeitig erkennen, welche Entwicklungen auf ihre Pensionspläne zukommen.
Risikobewertung: Pilotprojekte in der Finanzbranche zeigen großes Potenzial. KI-gestützte Kapitalanlageentscheidungen in der bAV sind allerdings momentan eher die Ausnahme.
Smarte Schnittstellen-Technologie: Schnittstellen bieten Abhilfe, um den Aufwand der bAV-Verwaltung, zum Beispiel in einer HR-Abteilung, zu senken. Sie ermöglichen Arbeitgebern, HR und Arbeitnehmern den Zugriff auf sämtliche Dokumente. Der Vorteil: Prozessautomatisierungen, Synchronisierungen von Daten in Echtzeit und zwischen verschiedenen Systemen (die smarte Schnittstellen-Lösung vB-PensionCare ONEKLICK verbindet relevante Systeme miteinander und sorgt so für reibungslose Datenflüsse.)
Entlastung von Arbeitsabläufen: Dank natürlicher Sprachverarbeitung sind Chatbots und virtuelle Assistenten dazu in der Lage, komplexe Dialoge zu führen und Arbeitsabläufe zu entlasten. Auch im komplexen Gebiet der bAV können entsprechend trainierte Chatbots allgemeine Fragen beantworten, individuelle Rentenansprüche berechnen, personalisierte Beratungen durchführen oder durch Programme leiten. Sie erleichtern den Zugang zu relevanten Informationen und gehen auf spezifische Anliegen ein. KI-Systeme lernen kontinuierlich aus Interaktionen mit Nutzern. Dadurch passen sie sich an neue Anforderungen an, verbessern ihre Genauigkeit und erweitern ihre Einsatzmöglichkeiten für komplexere Beratungsaufgaben.
Herausforderungen und regulatorische Anforderungen
Künstliche Intelligenz, Chatbots und Robo-Advisors eröffnen zwar neue Chancen, gehen jedoch auch mit Herausforderungen und Verantwortung einher, zum Beispiel in Bezug auf Datenschutz und IT-Sicherheit. BAV-Daten beinhalten sensible personenbezogene Informationen. Die Einhaltung der DSGVO hat oberste Priorität. KI-Systeme müssen so implementiert sein, dass eine datenschutzfreundliche Technikgestaltung (Privacy by Design) gewährleistet ist. Insbesondere beim Einsatz von Cloud-KI-Diensten (etwa bei generativen Modellen) ist sicherzustellen, dass keine ungeklärten Datentransfers erfolgen.
Zudem muss verhindert werden, dass KI-Modelle vertrauliche Inhalte „lernen“ und unberechtigten Dritten zugänglich machen. Viele Unternehmen setzen daher auf serverbasierte Programme, die innerhalb der eigenen Serverumgebung installiert werden (On-Premise-Lösungen) oder gezieltes Fine-Tuning mit abgekapselten Daten. Positiv ist, dass KI selbst zur Sicherheit beitragen kann, zum Beispiel bei der Erkennung von Sicherheitslücken.
Eine große Herausforderung ist die Verlässlichkeit der KI-Antworten. Generative KI-Modelle (wie ChatGPT) neigen dazu, auch dann Antworten zu geben, wenn sie unsicher sind. Diese können sachlich falsch sein. Ein Selbsttest zeigt, dass ChatGPT bei spezifischen bAV-Fragen falsche Auskünfte geben kann. Beispielsweise behauptet das Modell, Arbeitgeber müssten ihre Mitarbeiter über die bAV informieren. Wenn nicht aus einem Tarifvertrag oder einer Versorgungs- oder Ruhegeldordnung dieser Gedanke einhergeht, dann stimmt diese Aussage allerdings nicht. KI-basierte Systeme müssen in der bAV fachlich überwacht und trainiert werden, um zuverlässige und korrekte Informationen zu liefern. Viele Anbieter nutzen einen kombinierten Ansatz: KI beantwortet Standardfragen, bei Unsicherheiten wird an einen menschlichen Experten oder geprüfte Datenbanken übergeben.
Der Rat der 27 EU-Mitgliedstaaten hat am 21. Mai 2024 einen einheitlichen Rechtsrahmen für den Einsatz von KI in der Europäischen Union verabschiedet. Der sogenannte EU Artificial Intelligence Act“ sieht vor, dass KI-Anwendungen nicht missbraucht werden dürfen und der Schutz der Grundrechte gewährleistet ist. Um für den EU-Markt zugelassen zu werden, müssen hochriskante KI-Systeme – zum Beispiel in den Bereichen kritische Infrastruktur, Beschäftigung sowie Gesundheits- oder Bankenwesen – eine Reihe von Anforderungen erfüllen (Quelle). Ein Arbeitgeber, der beispielsweise einen Chatbot für die Beratung einsetzt, könnte verpflichtet werden, dessen Einsatz offenzulegen und sicherzustellen, dass kein verstecktes Profiling stattfindet (weitreichende Informationen zur genauen Ausgestaltung finden Interessierte hier.)
Auch die Verantwortlichen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) schauen auf KI im Finanzwesen. Aufseher verlangen, Diskriminierungsfreiheit bei algorithmischen Entscheidungen sicherzustellen. KI-Systeme dürfen nicht systematisch bestimmte Beschäftigtengruppen benachteiligen (etwa aufgrund von Alter oder Geschlecht) – ein Aspekt, den Unternehmer bei der Trainingsdatenauswahl und Modellierung beachten müssen, um Fairness zu gewährleisten. Das ging zuletzt aus einer Meldung der BaFin zu diesem Thema hervor.
Fazit
KI, Chatbots und Robo-Advisors verändern die betriebliche Altersversorgung nachhaltig. Deutsche Unternehmen und Anbieter setzen zunehmend auf digitale Lösungen, um die bAV attraktiver, effizienter und skalierbarer zu machen. Von der Administration (digitale Portale, automatisierte Prozesse) über die Mitarbeiterbetreuung (Chatbot-Assistenten, 24/7-Self-Service) bis zur Kapitalanlage (algorithmische Beratung und Portfoliosteuerung) eröffnen sich neue Möglichkeiten. Frühzeitige Praxisbeispiele zeigen deutliche Verbesserungen in Service und Kosten. Gleichzeitig stehen die Verantwortlichen vor der Aufgabe, rechtliche Leitplanken einzuhalten und das Vertrauen der Nutzer zu gewinnen.
Insgesamt zeigen die Entwicklungen, dass die Digitalisierung der bAV kein Selbstzweck ist, sondern dringend erforderlich, um den steigenden Erwartungen der Beschäftigten gerecht zu werden und den administrativen Aufwand bewältigen zu können. Künstliche Intelligenz kann zum Enabler werden – indem sie Routineaufgaben übernimmt, Komplexität reduziert und personalisierte Lösungen ermöglicht. Wichtig ist, dass sie verantwortungsvoll und transparent eingesetzt wird.