Der Aufbau einer Arbeitgebermarke, auch Employer Branding genannt, ist schon lange kein Nice-to-Have mehr, das von der HR-Abteilung angepriesen wird. Das Employer Branding zielt auf die strategische Positionierung eines Arbeitgebers ab. Dabei geht es um Arbeitsbedingungen, Werte und Visionen des Unternehmens und die Wahrnehmung der Unternehmenskultur. Eine attraktive Arbeitgebermarke zieht nicht nur Top-Talente an, sondern stärkt die Bindung zu den Mitarbeitern. Welche Fehler das Employer Branding am Ziel vorbeiführen, verrät bAV-Experte Stephan Seidenfad im Interview.
Greenwashing und die Auswirkungen auf das Employer Branding
Stephan, das Thema unseres Interviews ist der Aufbau einer Arbeitgebermarke und welche Fehler sicher nicht ans Ziel führen. Fangen wir mit dem Klassiker unter den Fehlern an. Woran denkst Du?
„Das ´Haben wir schon immer so gemacht´ – Mindset ist für mich ein Klassiker. Viele Unternehmen merken in Zeiten von Corona, Ukraine-Krieg oder Inflation, dass vertraute Prozesse nicht mehr so griffig sind wie vorher. Wir leben in einer dynamischen Welt, gesteuert von KI, Digitalisierung, hybriden Beratungsformen oder Automatisierungen in der Fertigung sowie im Bereich Kundenverwaltung und Warenmanagementsysteme. Unternehmen, die sich nicht weiterentwickeln und ihr Employer Branding nicht stärken, verlieren den Anschluss zum Wettbewerb. Häufig ist die Investition in das Aufbrechen eines Prozesses niedriger als der Schaden, der durch Stillstand entsteht.“
Kommen wir zum zweiten Fehler. Es gibt Unternehmen, die in der Öffentlichkeit ein umweltfreundliches und verantwortungsbewusstes Bild kreieren, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt. Worin besteht die Gefahr?
„Das berühmte ´Greenwashing´ ist ein Thema unserer heutigen Zeit. Jedes Unternehmen fühlt sich dazu angehalten, divers, nachhaltig und modern zu sein. Die Realität sieht anders aus. Es existieren falsche oder übertriebene Umweltfreundlichkeits-Ansprüche, um umweltbewusster zu erscheinen als es tatsächlich der Fall ist. Es wird eine Photovoltaikanlage installiert oder auf den hybriden Dienstwagen umgestellt, ohne dass es ein Herzensthema ist. Im Worst Case erleiden Unternehmen durch diese Marketingstrategie den Totalschaden. Nämlich in dem Moment, wo der Kunde feststellt, dass ein Unternehmen in Realität nicht grün oder divers ist. Die Folgen reichen vom Renommee-Verlust über den Shitstorm bis hin zum Verlust von Einnahmen.“
Employer Branding in Pandemie- und Kriegszeiten
Nachhaltigkeit ist ein Trendsetter der heutigen Zeit, aber was empfiehlst Du Unternehmen?
„Werteausrichtung! Das bedeutet die Gestaltung der Werte und der Außendarstellung in Abstimmung auf das Unternehmen. Es ist ehrlicher, transparent mit seiner Rolle als Aluminium- oder Stahlproduzent umzugehen, und auf Nachhaltigkeit zu setzen, wo es möglich ist. Das Streuen von Feenglanz ist hier nicht angebracht. Denken wir an den Ukraine-Krieg. In sonderbaren Situationen ist es sogar gut, dass es eine Panzerindustrie gibt.“
Employer Branding ist für die Gewinnung von Talenten wichtig. Das haben vor allem in der Pandemie und im Fachkräftemangel immer mehr Unternehmen erkannt. Wie funktioniert der Aufbau der Arbeitgebermarke? „Heute darf ein Arbeitgeber nicht einfach nur Jobs vergeben und Löhne zahlen. Er muss hip sein und eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Dazukommt, dass die Medien durch Themen wie Arbeitnehmerknappheit oder Boomer-Rente diese unternehmensstrategischen Maßnahmen befeuern. Es verhält sich aber ähnlich wie beim Greenwashing. Wer richtiges Employer Branding machen möchte, sollte die Vision, die Mission und die Ziele seiner Firma kennen. Danach entwickelt sich das Employer Branding von ganz allein. Wahllos gestaltete Benefit-Konzepte haben wenig Nutzen, denn die Werte und faktischen Rahmenbedingungen spielen eine große Rolle. Ein Jobticket bringt dem Arbeitnehmer nichts, wenn das Unternehmen schlecht angebunden ist. Ein Profi kann Arbeitgeber dabei unterstützen, eine Kommunikationsstrategie
Employer Branding, Benefits, War for Talents
Bleiben wir beim Thema Benefits. Die betriebliche Altersvorsorge ist Dein Steckenpferd. Wieso lohnt es sich, dieses Angebot in das Benefit-Portfolio zu integrieren?
„Die bAV ist das Stiefkind in vielen Unternehmen. Viele verbinden die Zusatzrente mit Chaos, Verwaltungsaufwand, Performanceschwäche oder Papierkrieg. Da trifft zu, wenn ein Arbeitgeber einen falschen Berater ausgewählt hat. Das trifft auch auf die vergangenen Jahre zu, in denen Berater nicht auf eine ordentliche Automatisierungs-Technologie zurückgreifen konnten. Heute ist die bAV digital, papierbefreit und anwenderfreundlich für Lohnbuchhaltung und HR. Es gibt performancestarke Produkte mit Investmentbestandteilen, die funktional und transparent sind. Die Zusatzrente kann die gesetzliche Rente als Sockel optimal ergänzen. Wenn Arbeitgeber die bAV mit Hilfe eines Beraters gut in die Kommunikation und Personalpolitik einbinden, ist sie das stärkste Benefit-Modell in einem Unternehmen.“
Die Suche nach geeigneten Talenten beinhaltet das Schalten von Stellenanzeigen. Wie stehst Du zu Headhuntern und Stellenanzeigen?
„Ich möchte mich nicht gegen Stellenanzeigen oder Headhunter aussprechen. Allerdings unterschätzen viel Unternehmen die Macht einer social Brand. Das bedeutet die Präsenz in den sozialen Medien – von Arbeitgebern oder Personen innerhalb des Unternehmens, die Lust haben, sich hier zu tummeln. Das ist keine Arbeitszeitverschwendung. Ganz im Gegenteil: Indem Menschen die Vision eines Unternehmens mit ihrer Persönlichkeit nach außen tragen, wird das Unternehmen greifbarer. Ein weiterer Vorteil: Durch den Aufbau eines Netzwerks können interessante Kandidaten auf den Karriere-Plattformen direkt kontaktiert werden. Das ist nicht nur progressiver als eine Stellenanzeige. Durch diese Möglichkeit können Personallücken mit einem marginalen wirtschaftlichen Aufwand und in kurzer Zeit besetzt werden.“