Fünf Tage nach dem Ende der Notenbank-Konferenz in Jackson Hole, Wyoming, scheinen zwei Dinge klar: Die US-Notenbank Federal Reserve (kurz: Fed) gibt keinerlei Signal, die Zinssteigerungen abzuschwächen oder sogar zu stoppen. Und die Sorge vor einer Inflation wiegt offenbar deutlich schwerer als die Sorge vor einer Rezession. So bewerten Experten auf der ganzen Welt in etwa die Worte von Fed-Chef Jerome Powell, dessen Rede der wichtigste Tagesordnungspunkt in Jackson Hole war.
Einschätzung zu Jackson Hole: „Nicht überrascht“
Auch Sascha Riemann hat die Rede von Jerome Powell verfolgt und ausgewertet. Er leitet bei von Buddenbrock die Vermögenverwaltung und ist Spezialist für Geldanlagen und Finanz-Fragen. Riemann hatte, anders als manche seiner Kollegen in der Investment-Branche, schon vor dem Treffen gesagt, dass er noch keine Änderung der Haltung der Fed sieht. „Überrascht war ich von der Rede von Jerome Powell nicht“, sagt Riemann. „Aber seine Worte waren schon relativ deutlich. Die Aufgabe der Fed ist allerdings auch nicht die Aktien-Märkte zu stützen, sondern die Inflation zu bekämpfen.“
Fed: Kampf gegen die Inflation mit Kraft und Ausdauer
Powell hatte in seiner mit Spannung erwarteten Rede unter anderem gesagt, dass noch für „einige Zeit“ eine restriktive Geldpolitik nötig sei und man die Werkzeuge gegen die Inflation „mit viel Kraft“ einsetzen müsse. Langsameres Wirtschaftswachstum und ein schwächerer Arbeitsmarkt seien Resultate daraus und schmerzhaft für Privat-Haushalte und Unternehmen. Wenn es aber nicht gelinge, die Inflation einzudämmen und größere Preisstabilität herzustellen, werde das noch deutlich schmerzhafter werden, so Powell. Auf der Seite der Fed gibt es die komplette Rede auf Englisch zum Nachlesen.
Nach Jackson Hole: Finanzmärkte brechen ein
So deutlich wie die Worte von Fed Chef Jerome Powell waren auch die Reaktionen an den westlichen Finanzmärkten: Aktien- und Anleihekurse fielen um mehrere Prozentpunkte, es gab den größten Tagesabverkauf seit Wochen. Und auch der deutsche Aktienmarkt reagierte unmittelbar auf die Rede Powells, wenn auch nicht ganz so heftig. Der Dax gab um gut 2 Prozent nach, unter anderem weil nach Powells Rede auch Gerüchte entstanden, dass die Europäische Zentralbank (kurz: EZB) den Leitzins stärker anhebt als erwartet.
Experten gingen bisher davon aus, dass die EZB in kleineren Schritten den Zins anhebt, um die Inflation zu bekämpfen, als die US Notenbank Fed. Die EZB hatte zuletzt den Leitzins im Juli von 0 auf 0,5 Prozent angehoben und damit elf Jahre der Nullzinspolitik beendet.
Einschätzung nach Jackson Hole: Licht am Ende des Tunnels
„Die Reaktionen der Märkte waren heftig“, sagt von Buddenbrock-Finanz-Experte Sascha Riemann. Er glaubt aber nicht, dass sich diese Talfahrt so fortsetzt. „Der September wird noch ein schwieriger Börsenmonat“, so Riemann. „Die Inflation ist nach wie vor hoch, die Zinsen gehen weiter nach oben und die Berichtssaison beginnt. Die Fed erwartet die nächsten Inflationsdaten und auch aktuelle Daten zum Arbeitsmarkt in den USA. Und bei den großen Unternehmen werden die Bilanzen für das dritte Quartal vorgelegt. Da kann es noch mal einige Überraschungen geben, positive wie negative. Ich gehe aber davon aus, dass Oktober und November wieder ruhigere und für Anleger bessere Monate werden.“
Experte sieht von Buddenbrock-Kunden gut aufgestellt
Um seine Kunden bei von Buddenbrock macht sich Riemann ohnehin keine Sorgen. „Wir waren vor Jackson Hole bereits gut aufgestellt und hatten Unternehmen mit besonders hoher Verschuldung aus den Portfolios entfernt. Deshalb haben die aktuellen Entwicklungen auf uns und unsere Kunden keine nennenswerten Auswirkungen. Wir warten jetzt die nächsten Wochen ab, beobachten die weiteren Entwicklungen und werden gegebenenfalls Ende September noch mal an den Portfolios arbeiten.“
Leitzins-Entscheidungen: So geht es in Europa weiter…
Auch wenn die Finanzmärkte schon auf die Aussagen Powells reagiert haben: Konkrete Entscheidungen zur Entwicklung des Leitzinses fallen erst im Laufe des Monats. Am 8. September tagt der EZB-Rat und entscheidet über eine weitere Anhebung des Leitzinses im Euro-Raum. Der Druck steigt, denn die Inflation ist im August auf das nächste Rekordhoch seit Start des Euros gestiegen. Aktuell liegt sie bei 9,1 Prozent, im Juli lag sie noch bei 8,9 Prozent. Die Märkte bei uns sind allerdings noch nicht so nervös wie in den USA, der Leitzins der EZB liegt aktuell noch bei 0,5 Prozent.
…und so in den USA
In den USA ist die Entwicklung bereits deutlich weiter, nach mehreren Anhebungen liegt der Leitzins dort schon jetzt bei 2,25 bis 2,5 Prozent. Nach einer weiteren Anhebung um 0,75 Prozent, von der Sascha Riemann weiter ausgeht, läge er Ende des Monats schon bei über 3 Prozent. Die Entscheidung darüber fällt am 21. September.