Das Wichtigste in Kürze
- Im März 2023 verzeichnete die Inflation den höchsten Stand seit 40 Jahren.
- Durch die Entwertung der Geldkraft steht auch die betriebliche Altersvorsorge (bAV) vor Herausforderungen.
- Viele Betriebsrentner stehen vor der Frage, ob sich die Zusatzrente in Zeiten erhöhter Inflation noch lohnt.
- Die Wahl des richtigen Produkts ist für die Effektivität der bAV entscheidend.
Was führte zur Inflation?
In einer Marktwirtschaft können sich die Preise von Waren und Dienstleistungen immer wieder ändern. Manche Produkte werden teurer, andere wiederum billiger. Einen derart rasanten Anstieg der Preisentwicklung wie in den vergangenen Jahren gab es allerdings schon lange nicht mehr.
- Die Situation hat mit der Finanzkrise im Jahr 2008, 2009 und 2010 ihren Anfang genommen. Damals gab es Stützungsprogramme der Zentralbanken Fed und EZB. Es wurden Anleihen gekauft, um die Finanzmärkte zu stützen und eine moderate Inflation von zwei Prozent zu erzeugen. Das ist ein theoretischer, volkswirtschaftlicher Ansatz.
- Bis heute sind zudem die Nachwehen der COVID-19-Pandemie spürbar: Lieferketten funktionierten nicht mehr. Damit einhergehend kam es zu Lieferengpässen, was zu einer Inflation führte.
Die Auswirkungen der Inflation auf Geldanlagen
Die Stabilität der Preise wird häufig dann zu einem Problem, wenn es um Geldanlagen geht. Anleger wollen schließlich, dass sich das Geld vermehrt und nicht stagniert oder sogar sinkt. In Zeiten hoher Inflation steigt jedoch das Risiko, dass die Inflationsrate höher ist als die Rendite.
Wenn ein Anleger Geld für drei Prozent bei einer Inflationsrate von 6,2 Prozent anlegt, dann hat er am Ende -3,2 Prozent Performance im Jahr erzielt. Egal, ob Tagesgeld, Sparbuch oder Festgeld und völlig frei davon, wie die Geldanlage sonst gelaufen ist. In diesem Fall muss der Anleger eine Rendite von 6,2 Prozent erwirtschaften, um auf plus minus null zu kommen.
Die Auswirkungen der Inflation auf die bAV
Auch die betriebliche Altersvorsorge steht durch die Inflation vor Herausforderungen. Speziell bei den Pensionskassen könnten Unternehmen verstärkt damit konfrontiert werden, Rentenleistungen, die Pensionskassen nicht mehr leisten können, aus eigenen Mitteln bezahlen zu müssen. Dies gilt für alle Fälle, in denen der Arbeitgeber aufgrund der subsidiären Einstandspflicht nach §1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG dazu verpflichtet ist.
- Mit Anstieg der Inflation werden vor allem freie Pensionskassen Probleme bekommen, die bereits vorher finanzielle Schwierigkeiten hatten und die versprochenen Garantien nicht mehr erbringen können.
- Pensionskassen sind oft sehr konservativ aufgestellt, sodass die Kapitalanlage häufig deutlich geringer performt als die Inflation. Sollte eine lange Inflationsphase bei gleichzeitig niedrigen Zinsen und niedriger Investmentquote, zum Beispiel Aktienanteil, zusammenkommen, dann kann sich das definitiv nachteilig auf die Renten und auf die generelle Leistungsfähigkeit vieler bAV-Produktanbieter auswirken.
- Reduzierte Aufsichtsregeln gegenüber Versicherungslösungen, stagnierende Mittelzuflüsse und die Problematik der fehlenden „sicheren“ Anlageklassen, früher in der Regel Staatsanleihen und top-geratete Unternehmensanleihen, steigern die Problematik.
Die richtige Produktwahl zahlt sich aus
Die Inflation hat nicht nur Auswirkungen auf den Durchführungsweg der Pensionskasse. Alle Anbieter müssen sich positionieren. Ob eine Zusatzrente in inflationsreichen Zeiten ihren Wert behält, entscheidet vor allem die Wahl des richtigen Produkts.
Klassische Produkte mit niedrigem Garantiewert
Bei einem Produkt der klassischen bAV mit einem niedrigen Garantiewert von 0,25, 0,75 oder 1,25 Garantiezins vor Kosten sind die Renditen in den Deckungsstöcken der Versicherer aktuell noch relativ niedrig. Die Versicherer liefern drei, wenn es gut läuft, vier Prozent Performance, während 6,2 Prozent dagegen laufen.
Investment-lastige Produkte
Besser geeignet sind investmentlastige Produkte. Auch bei diesen Produkten gibt es einen Garantiebaustein, weil Arbeitgeber und Versicherer die Mindestleistung sicherstellen müssen. Ein gut gestaltetes Produkt enthält neben einem hohen Investmentanteil auch Sachwerte wie Aktien, Aktienfonds, ETFs etc. Diese führen dazu, dass der Betriebsrentner mit dem Anteil seines Sparens am Markt performt und vielleicht sogar über die 6,2 Prozent kommt. Dazu gehört zwar ein gewisser Mut beim Anleger, das Risiko ist allerdings durch den Puffer an Beitragsgarantie überschaubar. Gerade jüngere und Arbeitnehmer mittleren Alters haben über ein solches Produkt die Chance, Performance zu erzielen.
Garantien in der bAV
Die bAV stellt besondere Herausforderungen an die Garantien eines Rentenversicherungsvertrages. Zum Verhältnis zwischen Versicherung und Versicherten kommt der Arbeitgeber ins Spiel. Es sind also arbeitsrechtliche Bestimmungen, insbesondere die des Betriebsrentengesetzes (BetrAVG), zu berücksichtigen.
Versicherer bieten Garantien in der bAV nicht gerne an, weil mit diesem Vorgehen Rendite-Einbußen einhergehen. Es gibt aber mittlerweile bAV-Verträge mit 80 oder 90 Prozent Beitragsgarantie. So sind zwar nicht 100 Prozent der eingezahlten Beiträge des Anlegers gesichert, allerdings kann dadurch mehr Geld sofort ins freie Investment fließen.
Fördermechanismen der bAV
Die betriebliche Altersvorsorge funktioniert anders als ein Tagesgeldkonto oder ein ETF. Denn sie erhält ihre Attraktivität unter anderem durch die Fördermechanismen des Gesetzgebers und des Arbeitgebers.
- In der Ansparphase der bAV spart der Arbeitnehmer Steuern und Sozialabgaben.
- Der Arbeitgeber ist seit 2019 beziehungsweise 2022 für jeden Vertrag der Durchführungswege Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds verpflichtet, die Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers mit mindestens 15 Prozent zu fördern. Das gilt, sofern er durch die Entgeltumwandlung des Arbeitnehmers Sozialversicherungsbeiträge spart.
Gerade die effektive Anwendung der bAV ist nicht nur in Zeiten der Inflation wichtig. Die bAV bringt einen Vorteil mit: Sie ist ein langfristiges Anlageprodukt. Verträge laufen selten unter zehn Jahren. Bei einem Betriebsrentenvertrag ist das Zusammenspiel der staatlichen Förderungen von Bedeutung.
Hier gilt die einfache Regel: Möglichst hoher Investmentanteil bei einem möglichst überschaubaren Garantieanteil und ein Anbieter, der idealtypisch stark auf der Investmentseite mit hohem Anteil deines Sparbetrages investiert. Zudem bringt die Energie- und Inflationskrise mit sich, dass Unternehmen heute stärker fördern müssen. Das BRSG mit seinen 15 Prozent ist die neue Null-Förderung.
Experten-Tipp: Gut konzipiert zum langlebigen Produkt
„Dadurch, dass die bAV ein langfristiges Produkt ist, müssen sich Anleger aufgrund der derzeitigen Marktbewegungen keine Sorgen machen. Die Zusatzrente besteht zumeist aus zwei Töpfen:
- dem Deckungsstock der Versicherung, der vor allem dazu da ist, die Mindestgarantie zu gewährleisten. Das heißt, der Versicherer legt einen Teil des Geldes nach den engen Spielregeln des Versicherungsvertragsgesetz (VVG) an. Dieser sichere Teil der Anlage zeichnet sich in der Regel durch eine begrenzte Flexibilität und Dynamik aus, weshalb der zweite Teil umso mehr Gewicht haben sollte.
- Im Investment-Topf ist je nach Cleverness und Modernität des Anbieters mehr oder weniger Investment enthalten. Bei guten Anbietern sprechen wir von mindestens 50 Prozent des Sparanteils, der in Investmentprodukte angelegt wird. Gerne auch mehr.
So sind Anleger, die mit der bAV ein langfristiges Investment mit einem idealtypisch hohen Investmentanteil tätigen, nicht von ruppigen Marktbewegungen tangiert. Sie haben, sofern die Kerntendenz nach oben zeigt, die Anlagestrategie gut gewählt ist und Chancen der Märkte genutzt werden, viel Zeit, um gefördert Geld zu sparen.”
Stephan Seidenfad, bAV-Experte
Die bAV ist auch in Zeiten erhöhter Inflation ein sicherer Hafen für die Rente
Obwohl die Inflation das Gros aller Sparformen trifft, verlieren die betriebliche Altersversorgung und gerade die investmentgestützte Direktversicherung durch diese Entwicklung nicht an Bedeutung. Die verschiedenen Förderungen, zum Beispiel aus BRSG, BetrAVG also Steuer- und SV-Ersparnis und gegebenenfalls Arbeitgeberzuschuss, wirken auch in der Inflation. Geeignet sind vor allem Produkte mit einer hohen Investmentkomponente und einer angemessenen Beitragsgarantie. So partizipieren Anleger auch in Hochinflationsphasen den Märkten. Generell gilt: Je jünger Anleger sind, je mehr Zeit sie haben, je mehr sie sparen, desto mehr effektiver ist ihre Altersvorsorge.